Rede von Afra Gamoori. Schul- und bildungspolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Inklusion ist ein Menschenrecht. Jeder Mensch hat ein Recht auf "Inklusion", also darauf, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Da sind wir uns doch hoffentlich alle einig.

Die Inklusion ist bereits ein großes Streitthema während der Koalitionsverhandlungen der aktuellen Landesregierung gewesen. Als Kompromiss ist es nach dem neuen Schulgesetz den Kommunen nun freigestellt, die bestehenden Förderschulen bis zum Ende des Schuljahres 2027/28 laufen zu lassen. Doch braucht die Landeshauptstadt Hannover das?

Für unsere Stadt ist die Erreichung von Inklusion ein hehres Ziel, insbesondere das der schulischen Inklusion. Die Anwahl der drei städtischen Förderschulen Lernen sinkt kontinuierlich, zwei der Schulen laufen zum kommenden Schuljahr aus und die dritte und letzte zum Schuljahr 2022/23. Das heißt im Klartext: (1) Es besteht kein Bedarf zum weiteren Erhalt der Schulen in dieser Form. (2) Die Gebäude können anderweitig für schulische Zwecke genutzt werden. Dieser Plan läuft, die Umsetzung ist voll im Gange.

Damit werden wir der UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in der Bundesrepublik gilt, endlich gerechter. Sie bedeutet in Bezug auf Bildung, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nicht von den allgemeinbildenden Schulen ausgeschlossen werden dürfen. Sie haben ein Anrecht darauf, gleichberechtigt mit allen anderen einen integrativen und hochwertigen Unterricht zu erleben. Sie haben auch ein Anrecht darauf, umfassend unterstützt und gefördert zu werden – genau nach ihren Bedürfnissen. Es ist insbesondere Aufgabe der Landesregierung, dies zu ermöglichen, indem massiv in das inklusive Beschulungssystem investiert wird. Die Stadt ist bereits aktiv: Der an den Schul- und Bildungsausschuss angegliederte Inklusionsbeirat erarbeitet derzeit Handlungsempfehlungen für die Umsetzung der schulischen Inklusion in Hannover. Dabei erfährt der Beirat große Unterstützung vom neuen Bildungsbüro im Rahmen der Bildungsregion Hannover. Das in Auftrag gegebene Konzept für Schulen mit besonderen Herausforderungen, gegen das nun ausgerechnet Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU gestimmt haben, greift ebenfalls den erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf auf.

Bemerkenswert ist vor allem, dass die CDU offenbar vergessen hat, dass sie es war, die sich einst für mehr Inklusion eingesetzt hat:

Unter einer CDU-Landesregierung wurde 2012 das Auslaufen der Förderschulen Lernen überhaupt erst beschlossen und entschieden, gänzlich auf die inklusive Schule zu setzen. Und jetzt wird auf Wunsch der CDU dieses Auslaufen hinausgezögert. Das ist ein Rückschritt für Hannover. Da müssen sich die betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie Eltern doch veralbert vorkommen. Denn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wissen anscheinend nicht, was Sie wollen. Eine klare Haltung ist etwas Anderes.

Im Gegensatz zu Ihnen nehmen wir Inklusion ernst: Die Stadt und auch die Mehrheit der Politik hat sich im vergangenen Jahr entschieden, die bestehenden Förderschulen Lernen zusammenzulegen. Und das mit gutem Grund: Es gibt immer weniger Schülerinnen und Schüler, die diese Schulform anwählen – und immer mehr, die inklusiv beschult werden. Diesen Weg unterstützen wir voll und ganz.

Damit komme ich wieder zu meiner Ausgangsfrage: Brauchen wir diese Möglichkeit der Hinauszögerung? Nein, die brauchen wir in unserer Stadt nicht. Denn echte Inklusion kann durch die Beibehaltung der Förderschule Lernen nicht realisiert werden. Das wäre eine Verschwendung der Ressourcen – in finanzieller und personeller Hinsicht, denn Geld und Personal würden an das separierende System Förderschule gebunden und bei der Umsetzung der Inklusion fehlen. Dort werden sie aber dringend benötigt.

Dass die gleichberechtigte Teilhabe in Schule an mehreren Stellen noch ausbaufähig ist, ist auch uns bewusst. Aber die Antwort darauf kann nicht sein, das Parallelsystem im Schwerpunkt Lernen bestehen zu lassen, das laut Schulentwicklungsplan immer weniger nachgefragt wird.

Nein! Die Antwort ist, dass wir alle – und damit meine ich auch und vor allem die Landespolitik – noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um die Inklusion voranzutreiben und noch bessere Unterstützung, Beratung und Betreuung zu ermöglichen.

Und wenn Sie, liebe CDU-Fraktion, sich nun so als Unterstützerin der Förderschule mit Schwerpunkt Lernen darstellen, ist das unredlich – die Schulgesetznovelle ist ein Moratorium – keine langfristige Sicherung. Insofern ergeben sich daraus auch keine neuen Gestaltungsmöglichkeiten für die Stadt Hannover. Wir halten an unserem Wort fest. Wir bieten Eltern und Kindern Sicherheit und Beständigkeit und stehen zu den von uns getroffenen Entscheidungen.

Denn wir wollen, dass sie alle gemeinsam lernen, leben und lachen können. Alle unter einem Schuldach. Ohne Diskriminierung. Gemeinschaftlich und gleichberechtigt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.