Hintergrund der Veranstaltungen waren das Konzept Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum (DS 1611/2017), das zzt. in einer zweiten Runde in den Bezirksräten diskutiert wird und um das Konzept „Hannover sauber!“ (DS 1240/2018) erweitert werden soll, sowie das 6. Bürgerpanel zum Thema „Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum“, dessen Ergebnisse am 29.08.2018 veröffentlicht worden waren.

Das Podium v.l.n.r.: Moderator Christian Hofmann; Hartmut Pfeiffer, Kriminologische Forschungsstelle des Landeskriminalamtes Niedersachsen; Stadtkämmerer Dr. Axel von der Ohe Landeshauptstadt Hannover; Susanne Wolter, Landespräventionsrat Niedersachsen und Polizeipräsident Volker Kluwe, Polizeidirektion Hannover

Hartmut Pfeiffer unterstrich in seinem Impulsvortrag anhand älterer Erhebungen, deren Ergebnisse durch das neue Bürgerpanel im Grundsatz bestätigt würden, dass das Sicherheitsgefühl im eigenen Stadtteil wie auch die Nachbarschaftsqualität in Hannover für eine Großstadt ungewöhnlich hoch eingeschätzt würden. Das gelte auch für die persönliche Risikoeinschätzung (also die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, selbst in den nächsten zwölf Monaten Opfer einer Straftat zu werden), wobei diese Werte deutlich anstiegen, und zwar in allen Deliktgruppen. Diese Einschätzung stehe in einem scharfen Kontrast zu der tatsächlich sinkenden Deliktrate.

Das Foto der Einladung zu dieser Veranstaltung treffe genau den Nerv, wie sich Sicherheitsempfinden ableite. Es werde im öffentlichen und halböffentlichen Raum wesentlich beeinflusst durch die bauliche Situation, durch Signale fehlender Verantwortlichkeit (Graffiti, Schäden, Müll), durch das Nutzungsverhalten anderer Personen, durch Personen, deren Verhalten nicht eingeschätzt werden könne, durch die Abwesenheit potenziell eingriffsbereiter Personen, durch Orientierungsprobleme und durch die eigene besondere Verletzlichkeit bzw. die Wahrnehmung eigener Verletzlichkeit (insb. bei jungen Frauen und älteren Personen).

Die Daseinsvorsorge in jedweder Form sei ein wesentlicher Beitrag dazu, das Sicherheitsempfinden zu erhöhen. Sie wirke sich u.a. auf die Qualität der Nachbarschaft bzw. des jeweiligen Umfeldes aus.

Zu unterscheiden sei zwischen Gefahrenräumen und Angsträumen. Gefahrenräume sind jene Orte, an denen in der Vergangenheit (u.U. wiederholt) Straftaten begangen worden sind, während Angsträume als Orte möglicher Gefährdung wahrgenommen würden und die in Teilen einigermaßen auseinanderdrifteten. Deckungsgleich seien Gefahren- und Angsträume nur in sehr wenigen Fällen.

Bei der Verbesserung des Sicherheitsempfindens genieße die Verhinderung von Straftaten Vorrang.

Dessen und der Entwicklung der Polizeilichen Kriminalstatistik (s.u.) ungeachtet verschlechtere sich zzt. das Sicherheitsempfinden weiter Kreise der Bevölkerung. Erstaunlich stark sei in Hannover das Bedrohungsgefühl durch Flüchtlinge. Dieses sei, wenn es sozial aufgeschlüsselt wird, nicht mit der Verteilung der Flüchtlingsunterkünfte über das Stadtgebiet zu erklären – zumal die Wahrnehmung von Flüchtlingen in der Nachbarschaft von den Standorten der Unterkünfte differiert. Deutlich sei vor allem, dass Flüchtlinge als soziale Konkurrenz wahrgenommen und dann auch – oft entgegen der Tatsachen – in der Nachbarschaft verortet würden.

Polizeipräsident Volker Kluwe unterstrich in der Diskussion, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in allen Deliktbereichen rückläufige Zahlen aufweise, insbesondere bei Delikten auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Beim Dunkelfeld gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Deliktbereichen, am deutlichsten sei dies bei Sexualstraftaten, von denen nur ein sehr geringer Teil angezeigt werde. Zudem müsse man zur Kenntnis nehmen, dass die PKS nur einen Teil der Wahrnehmung abbilde, die wesentlich auch anderen Einflüssen (Medien, Social Media etc.) unterliege.

Hartmut Pfeiffer bestätigte dies, wenngleich Transparenz einfach unabdingbar sei. Gleichwohl liege der Schlüssel zur Steigerung des Sicherheitsgefühls nicht allein in Fakten.

Vorrangig für die Polizei sei die Prävention von Straftaten, so Volker Kluwe. Damit könne eine „Opferwerdung“ (Viktimisierung) von vornherein unterbunden und damit einer Verunsicherung bzw. einem sinkenden Sicherheitsempfinden entgegengewirkt werden. Dazu biete die Polizei auch kostenlose Beratungen an, u.a. zur Sicherung der eigenen Wohnung und zum eigenen Verhalten in Bedrohungssituationen.

Susanne Wolter legte dar, dass die Aktivierung der Zivilgesellschaft eine zentrale Aufgabe des Landespräventionsrates sei. Eine funktionierende Zivilgesellschaft trage zu einem starken Gemeinschaftsgefühl bei und senke damit die Risikofurcht. Insofern sei die Aktivierung der Zivilgesellschaft ein wichtiger Beitrag zur Steigerung des Sicherheitsempfindens.

Dr. Axel von der Ohe schilderte, dass eigene Beobachtungen der Stadtverwaltung die Grundlage für das Sicherheits- und Ordnungskonzept gewesen seien. Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen in der Innenstadt, voran am Steintor- und am Raschplatz, habe man sich dafür entschieden, die Servicegruppe Innenstadt zu einem städtischen Ordnungsdienst auszubauen. Dieser sei z.T. bereits und werde künftig auch in den Stadtteilen unterwegs sein. Wichtig sei gleichwohl zwischen hoheitlichen (polizeilichen) und ordnungspolitischen (kommunalen) Aufgaben zu trennen; insofern sei die Sicherheitspartnerschaft zwischen Landeshauptstadt Hannover und Polizei ein Kern des Sicherheits- und Ordnungskonzeptes.

Polizeipräsident Kluwe ergänzte, dass der städtische Ordnungsdienst kein Ersatz für die Polizei sein könne und auch nicht sein solle. Er entlaste aber die Polizei, zumal diese nicht für alle ordnungsrechtlichen Fragen zuständig sei (z.B. aggressive Bettelei). Der Eindruck, es sei zu wenig Polizei präsent, sei zudem falsch. Tatsächlich gebe es genügend Polizei, nachdem in den letzten Jahren die [damals rot-grüne] Landesregierung hier eine Umkehr in der Personalpolitik herbeigeführt hatte.

Von der Ohe betonte, dass die Beschäftigten des Ordnungsdienstes keine „schwarzen Sheriffs“ seien, sondern zugewandte, hilfsbereite Personen. Allerdings gelte auch: „Wir können nicht alle Probleme mit dem Ordnungsdienst lösen.“

Sämtliche Maßnahmen des Sicherheits- und Ordnungskonzeptes würden von den Befragten im aktuellen Bürgerpanel begrüßt, schilderte der Kämmerer. Selbst der sogenannte Trinkraum „Kompass“ stoße auf große Zustimmung, lediglich die Beschränkungen für die Straßenmusik würden abgelehnt. Man werde die Resonanz auf die Umsetzung des Sicherheits- und Ordnungskonzeptes ständig überprüfen. Insofern sei das Konzept nicht abgeschlossen, sondern als laufender Prozess zu betrachten.

Das Sicherheits- und Ordnungskonzept könne nur ein Element einer städtischen Strategie zur Verbesserung des Sicherheitsempfindens sein, meinte Susanne Wolter; allerdings sei es ein sehr wichtiges Element, weil es den Menschen zeige, dass die Stadt sich kümmere. Und das erwarteten die Menschen.

Prävention müsse allerdings sehr viel eher ansetzen und an den Ursachen orientiert erfolgen. So unterschiedlich die Ursachen dafür seien, dass jemand zum Täter werde, so subjektiv müssten auch die präventiven Maßnahmen ansetzen. Primärprävention ziele deshalb auch Erziehungs- und Sozialkompetenzen, wie sich bereits bei der Frage von Vermüllung zeige. Von zentraler Bedeutung für die Prävention sei die bauliche Planung: „“Je mehr ich Sicherheit mitdenke, desto weniger Probleme habe ich später.“ Harmut Pfeiffer erklärte, dass ein entsprechendes Projekt zur städtebaulichen Kriminalprävention eines Auftrages aus der Kommune bedürfe, wie dies die Stadt Lüneburg getan habe.

Der Kämmerer ergänzte dies und meinte, man müsse „glaubhaft vermitteln, dass man die Probleme sieht, dass man das ernstnimmt und dass man sich darum kümmert.“ Das Gespräch sei notwendig, gleichwohl müsse auch die Objektivierung sein. Die Wahrnehmung angeblich oder tatsächlich wachsender Probleme auch beim Thema Ordnung und Sicherheit basierten doch auf den zunehmenden Störungen des „normalen Miteinanders“.

Darin widerspiegele sich der allgemeine gesellschaftliche Wandel, meinte Susanne Wolter, die zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die Entsolidarisierung bei (oder trotz) sozialen Verwerfungen. Notwendig sei, dem durch gemeinsames Tun zu begegnen, durch Handeln der Politik und durch Stärkung von Nachbarschaft.

Das, so der Polizeipräsident, sei ein wichtiger Beitrag zur Opfervermeidung.

Verschiedene Eindrücke, die das Podium geschildert hatte, wurden vom Publikum bestätigt – so die Wahrnehmung, wie sehr Social media, voran Facebook, das Klima in der Gesellschaft vergifteten. Susanne Wolter ergänzte, dass die Medien das Sicherheitsempfinden schwächen, aber auch stärken könnten. Das hänge von der Schwerpunktsetzung in der Berichterstattung wie auch von der Wortwahl ab, erläuterte Hartmut Pfeiffer. Besonders deutlich, so Volker Kluwe, sei dies in den Social Media.

Bestätigt wurde ebenfalls die Beobachtung, dass die Verwahrlosung im Umfeld und in Bereichen der Innenstadt das Sicherheitsempfinden beeinträchtige. Das gelte für die Vermüllung, für die Verrohung im Umgang mit Sachen wie mit Personen und für die Anwesenheit bestimmter sozialer Gruppen, wie der Drogenszene.

Auf die Frage, wer für die Sicherheit von Obdachlosen sorge, antwortete Axel von der Ohe, dass das Sicherheits- und Ordnungskonzept nur ein Aspekt städtischen Handelns sei. Ein anderer, in dieser Frage sicherlich wichtigerer Aspekt sei die Bereitstellung einer sozialen Infrastruktur, also der begonnene Ausbau der Unterkünfte und die soziale Betreuung. Allerdings sollte das Sicherheits- und Ordnungskonzept auch dahingehend verstanden werden, dass es auch zum Schutz der Obdachlosen beitrage; gleiches gelte für den Umgang der Polizei mit Obdachlosen, so Volker Kluwe.

Offensichtlich sei doch, so Ratsherr Christopher Finck, dass es mehr Begegnungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen, voran mit Flüchtlingen, bedürfe, um das Gemeinschaftsgefühl und damit auch das Sicherheitsempfinden zu stärken. Finck mahnte zudem an, die Vermittlung der PKS zu verbessern; eine Möglichkeit hierfür könnte sein, den Kommunalen Präventionsrat öffentlich tagen zu lassen und dort mit Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren.

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