Zu den Aktuellen Stunden im Rahmen der heutigen Ratsversammlung mit den Themen "Der Umgang der Stadt Hannover mit ihrem bauhistorischen Erbe" und "Aktuelle Planungen zur D-Linie - nachhaltig oder kurzlebig?" finden Sie hier Reden des baupolitischen Sprechers der SPD-Ratsfraktion Hannover, Thomas Hermann.

Thomas Hermann
Rede zur Aktuellen Stunde „Der Umgang der Stadt Hannover mit ihrem bauhistorischen Erbe“ in der Ratsversammlung am 14.03.2013

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg hat Rudolf Hillebrecht mit Hilfe vieler in kürzester Zeit (bis Ende der 1950er Jahre) den Wiederaufbau abgeschlossen, mit einem für damalige (wie auch heutige) Verhältnisse zukunftsweisenden Städtebau. Werner Durth hat das in seinem Vortrag zu Beginn des City 2020-Prozesses eindrucksvoll geschildert.

Hannover City 2020 thematisiert exakt den Ansatz, sich mit diesem historischen Erbe konkret auseinanderzusetzen, diese Nachkriegsmoderne weiterzudenken und weiterzubauen, mit heutigen (Stil-)Mitteln zu interpretieren, ohne dabei jedoch das baukulturelle Erbe mit samt den weitaus älteren Denkmälern zu vernachlässigen.

Und lassen Sie mich hinzufügen: ich bin zutiefst davon überzeugt, dass erst der Kontrast mit aktueller Architektur alte Architektur so richtig wirken lässt.

Das baukulturelle Erbe bereichert die gebaute Umwelt der Menschen und gibt ein lebendiges Zeugnis der wechselvollen Geschichte der Stadt. Die Liste der Denkmäler ist vielfältig und reicht von Rathäusern und Kirchen über Opernhäuser und Stadthallen bis hin zu Parks und Industriearchitektur. Zumeist handelt es sich um Einzelobjekte. Die Bedeutung als Denkmal kann aber auch in der Ensemblewirkung liegen. Auch dafür gibt es in Hannover genügend gute Beispiele, etwa mit den genossenschaftlichen Wohnsiedlungen der 1920er Jahre.

Es ist viel Gutes zum Erhalt der Baukultur geschehen:

  • die Umgestaltung des Schwimmbads Goseriede in ein Kunstmuseum (Kestnergesellschaft),
  • wir haben dem Operndreieck die historische städtebauliche Struktur wiedergegeben,
  • die sog. Lavesachse mit der Langen Laube ist sichtbar geworden,
  • dem Nikolaifriedhof geben wir mehr Gesicht, der Nikolaikapelle als wohl ältestes Gebäude der Stadt geben wir Platz und die Möglichkeit, als Solitär sichtbar zu wirken,
  • das ehemalige britische Militärhospital und die Ahrbergfabrik sind in attraktive Wohn- und Arbeitsquartiere, umgebaut worden,
  • gleiches gilt auch für den geplanten Umbau der Hautklinik in Linden,
  • die ehemalige Sehbehindertenschule in der Südstadt ist denkmalgeschützt umgewandelt worden in ein modernes Wohnprojekt samt Kinder- und Jugendbibliothek,
  • ich erinnere an den gelungenen Umbau des Hauptbahnhofes samt Ernst-August-Platz vor der EXPO,
  • den Umbau des Alten Rathauses,
  • die Herstellung der Vorkriegs-Städtebaustruktur am Kröpcke mit Rückbau des Kröpcke-Centers,
  • die Wiedernutzung der alten Hanomag-Fabrikhallen,
  • die gelungene städtebauliche Gestaltung des Aegi mit seinen Solitären aus den verschiedenen zeitlichen Epochen.
  • Und natürlich an die City 2020-Projekte sowie die Gestaltung und Sanierung des Hohen Ufers.

Und nebenbei bemerkt: Auch das wiederaufgebaute Laves-Schloss harmoniert mit Galeriegebäude, Orangerie, Schlossküche und dem Glasfoyer von Arne Jacobsen.
Wird in Hannover also das baukulturelle Erbe vernachlässigt? Wohl kaum!

Lassen Sie mich abschließend etwas zum Opernplatz und ein unserer Ansicht nach funktional notwendiges Toilettenhäuschen anmerken.

Auf der linken Seite des Opernhauses steht der (inklusionsbildende) Aufzugsglaskasten der Tiefgarage - eigentlich auch ein Fremdkörper im Böningschen/Wruckschen Sinne. Der wird aber nicht angeprangert.

Einer wirklich starken und qualitätsvollen Architektur wie der des Operhauses kann eine moderne – wie funktional notwendige - Architektur also nichts anhaben. Dazu ist die Kraft der Laves’schen Oper zu groß!

Und weil das so ist, habe ich den Verdacht, dass die sog. „Hannoveraner“ unter dem Deckmäntelchen des baukulturellen Erbes etwas ganz anderes transportieren wollen.

Bei Herrn Wruck ist dann auf einmal von „Nichtsnutzen, die sich von Staastknete ernähren“ die Rede, vom „Pöbel im Kampf gegen rechts“, von „herumlungernden Trinkern und Tagedieben“.(1)

Wer Menschen pauschal so diskreditiert, und das in einem Jargon aus dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, der muss sich fragen lassen, ob er überhaupt würdig ist, dem Rat der weltoffenen, toleranten und demokratischen Landeshauptstadt Hannoveranzugehören. Das ist Menschen verachtend, perfide und geschmacklos!

(1) Kommentar von Rh Wruck auf der Internetpräsenz der „Hannoveraner“, auf den Rh Böning in einer Mail am 09.01.2013 hinweist.


Thomas Hermann
Rede zur Aktuellen Stunde „Aktuelle Planungen zur D-Linie – nachhaltig oder kurzlebig?“ in der Ratsversammlung am 14.03.2013

- Es gilt das gesprochene Wort -


Anrede

Der Anspruch an Nachhaltigkeit ist berechtigt, gerade auch für den ÖPNV. Seit der Beschlussfassung zum geltenden Nahverkehrsplan hat diese Frage immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. Die von der Region vorgelegte Grundsatzentscheidung zur Linienführung wird diesen Ansprüchen gerecht. Warum?

  • Anfangs stand die Systemfrage nach Hochflur- oder Niederflurbetrieb. Es ist betriebstechnisch und wirtschaftlich nachhaltig, bei dem in Hannover bewährten Hochflur-System zu bleiben.
  • Es ist über alle Parteigrenzen hinweg in der Region beschlossen worden, den Ausbau der D-Linie oberirdisch zu planen. Tunnelfreunde in und außerhalb der Kommunalparlamente sollten sich daran erinnern. Unter den gegebenen finanzpolitischen Gesichtspunkten ist dies nachhaltig.
  • Da an dieser Stelle von den Kritikern die angebliche Geldverschwendung von 40 bis 50 Mio. € ins Feld geführt wird: der Großteil der Kosten entfällt auf den notwendigen und sinnvollen Bau der Hochbahnsteige, Gleisaufweitungen und damit zusammenhängende Leitungsverlegungen und Straßenraumaufwertungen. Bisher gab es dazu weder von der Politik, noch von der Bevölkerung kritische Töne…
  • Die Hochbahnsteige: Seit über 20 Jahren wird über die Barrierefreiheit der Linie 10 diskutiert. Es ist nachhaltig, wenn wir den Diskussionen jetzt Hochbahnsteige folgen lassen.
  • Ziel war es auch, die Verknüpfung der ober- und unterirdischen Stadtbahnlinien zu verbessern. Die Auffassungen darüber gehen auseinander. Wenn die Situation sich gegenüber heute an Steintor und Raschplatz verbessert, dann ist dies nachhaltig.
  • Der Erfolg des hannoverschen Stadtbahnsystems liegt auch in seiner Flexibilität über Jahrzehnte hinweg. Das Netz konnte immer erfolgreich weiter gebaut gebaut werden, die Stadtbahnverlängerungen Wettbergen, nach Ahlem, Misburg, Altwarmbüchen und hoffentlich bald auch nach Hemmingen zeigen dies sehr deutlich. Mit einem Endpunkt der 10 und 17 am Raschplatz eröffnen wir uns auch an dieser Stelle zusätzliche Optionen für nachfolgende Generationen. Das ist nachhaltig.
  • Es spricht für die Flexibilität, dass zusätzliche Verstärkerbahnen der 10 im Berufsverkehr in den A-Tunnel eingespeist werden. Auch das ist nachhaltig. Wenngleich wir uns an dieser Stelle noch mehr Flexibilität und Nachhaltigkeit gewünscht hätten. An die Freunde der sog. Scheelhaase-Lösung sei gesagt: Es wäre weder Fisch noch Fleisch, die Linien 10 und 17 am Steintor enden zu lassen. Es wäre eine deutliche Verschlechterung gegenüber heute, würden die Linien aus dem Westen oberirdisch nicht zum Hauptbahnhof geführt werden.

Die aktuelle verkehrspolitische Debatte eröffnet der Stadtentwicklung ein neues Feld. Die Diskussion lenkt den Focus auf zwei Stadträume, wo schon längere Zeit Handlungsbedarf und der Wunsch nach Änderungen besteht.

Durch die Ansiedlung des ECE-Centers sind Kurt-Schumacher-, Schiller- und Rosenstraße vom Hinterhof zu einem stärker mit Durchgangsverkehr frequentierten Quartier geworden. Die Ladenstruktur hat sich völlig gewandelt. Nun gilt es hier den Stadtbahnausbau zu nutzen, die Infrastruktur neu zu sortieren, die Verkehrslenkung aller Mobilitätsarten im Interessenausgleich anzupassen.

Wie an vielen anderen Stellen werden wir zusammen mit den Betroffenen, Planern und der Verwaltung im Prozess Lösungsvorschläge erarbeiten und umsetzen. Doch dazu brauchten wir erst einmal die Grundsatzentscheidung über die Linienführung.

Der zweite Bereich zur Neuordnung ist das Gebiet Steintor – Marstall.
Mit veränderter Verkehrsführung, der Umgestaltung des Marstalls im Rahmen von Hannover City 2020+, der beschlossenen Umgestaltung der Schmiedestraße und den Plänen für das Hohe Ufer vom Umbau des ÜSTRA-Gebäudes bis zum Historischen Museum wird diesem Quartier die Riesenchance zur Aufwertung gegeben. Das steigert auch die gesamte Attraktivität der Altstadt.

Anrede

Das ist nachhaltige Stadtentwicklungspolitik über den Tellerrand von einigen Haltestellen einer Stadtbahnlinie hinaus. Wir sollten sie aktiv angehen.