Sehr geehrte Damen und Herren,

als von Ihnen gewählter Vertreter des Stadtbezirks im Rat der Landeshauptstadt Hannover möchte ich zu der Ansiedlung des Forschungslabors der Firma Boehringer Ingelheim Stellung nehmen.

Geben Sie mir vorab die Gelegenheit, Ihnen Auskunft darüber zu geben, wie meine eigene Meinungsfindung stattgefunden hat. Als im Oktober 2007 Herr Oberbürgermeister Weil und Herr Ministerpräsident Wulff zusammen mit Vertretern der Forma Boehringer in der hiesigen Presse die Ansiedlung eines Forschungszentrums vorgestellt haben, war ich davon sehr angetan. Die Ansiedlungspolitik der Stadt hatte im Zusammenspiel mit der TiHo einen großen Coup gelandet. Forschung und Entwicklung nahe an der TiHo, nahe an den Tieren und zugleich nahe an den Menschen. Nicht zuletzt ein wichtiges Argument: die Schaffung von Arbeitsplätzen. Unaufgeregt hatten alle - von der Politik bis hin zur Bevölkerung - das zur Kenntnis genommen. Kurz vor Ostern entbrannte plötzlich ein heftiger Protest. Warum? Wegen neuer Erkenntnisse? Nein, ich denke nicht. Der Protest entzündete sich an Begriffen wie „Massentierhaltung in Wohngebieten“ und „Gefährdung für Menschen“, die plötzlich in der Presse auftauchten.

Ich selbst hatte daraufhin dreimal die Möglichkeit, mich über das Projekt der Firma Boehringer zu informieren. Zum einen gab es eine erste Zusammenkunft mit Herrn Dr. Conradt, dem Projektleiter, der Ende März einem engen Kreis von Politikern das Projekt vorgestellt hat.

Die nächste Informationsmöglichkeit hatte ich am 1. April, als die Firma das Projekt in der SPD-Ratsfraktion vorstellte. Es gab einen umfangreichen und sehr intensiven, aber auch kritisch offenen Informationsaustausch mit der Firma Boehringer. Am Ende der Debatte sprach sich die Fraktion ohne Gegenstimme dafür aus, das Ansiedlungsverfahren positiv zu begleiten. In der Informationsveranstaltung an der TiHo am 2. April hat sich mein positiver Eindruck von der Firma Boehringer gefestigt und ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass erhebliche Missverständnisse und Unkenntnis auf Seiten der Bevölkerung vorlagen und zum Teil immer noch liegen.

Trotz des ernsthaften Versuchs einer sehr objektiven Berichterstattung über Chancen und Risiken seitens der Firma Boehringer und der TiHo kann ich meinen Eindruck nicht verhehlen, dass einige Besucher offenbar gar nicht bereit waren, diese Informationen auch sachlich zur Kenntnis zu nehmen. Polemik statt Information und der Drang zur Selbstdarstellung ließ sich bei einigen Rednern leider nicht übersehen.

Bei objektiver Betrachtung ist folgendes festzuhalten:

  • Es geht um ein geschlossenes Forschungslabor, nicht um einen Mastbetrieb. Die Vokabel „Massentierhaltung“ ist daher unangebracht, weil es Belästigungen mit Gerüchen, Geräuschen oder Erregern impliziert, die aufgrund des Unterdruckbetriebes der Forschungszentrums nicht auftreten können
  • Es wird ausschließlich an tierpathogenen Viren geforscht, also an Erregern die nur für Tiere gefährlich sind
  • Die meisten der zu untersuchenden tierpathogenen Viren sind wirtsspezifisch, befallen also nur bestimmte Tierarten. In diesem Fall sind das Schweine. Weitere Schweinevorkommen in Kirchrode in unmittelbarer Nähe der TiHo sind mir nicht bekannt
  • Die Viren werden nicht durch die Luft übertragen, sondern nur durch eine direkte Übertragung, z.B. durch Kot
  • Eine Gefährdung von Menschen ist ausgeschlossen. Das ist schon dadurch belegt, dass die Forschungsarbeiten im Labor von Menschen durchgeführt werden, die ohne besondere Schutzmaßnahmen in den Räumen arbeiten. Ich glaube Herrn Professor Greif, dem Präsidenten der TiHo, dass er der erste gewesen wäre, der zum Schutz seiner Mitarbeiter, der Studenten und der tierischen Patienten die Ansiedlung abgelehnt hätte, wenn sie für Menschen gefährlich wäre. Außerdem haben unabhängige Experten diese Einschätzung untermauert
  • Die Tierkadaver werden durch eine chemische Methode aufgelöst und die entstandene Flüssigkeit sterilisiert und durch entsprechend abgesicherte Fahrzeuge abtransportiert. Die soll im Schnitt an zwei Tagen im Monat passieren
  • Das Verkehrsaufkommen wird durch die Forschungsanlage nicht spürbar steigen. Wenn es gelingt, wie es die Firma Boehringer vertraglich festhalten will, dass die Fahrzeuge ausschließlich die Bemeroder Straße benutzen, ist auch keine Belastung angrenzenWohngebiete zu erwarten Dass der Wert angrenzende
  • Dass der Wert angrenzender Häuser und Grundstücke fällt, halte ich für pure Spekulation. Im Gegenteil bin ich davon überzeugt, dass sich durch die entstehenden Arbeitsplätze eineNachfrage auf dem Kirchröder Immobilienmarkt entwickeln wird, welche die Preise eher steigen als fallen lässt

Ich gebe zu, das die Aufregungen, die kurz vor Ostern hochkamen, die Beteiligten und die Politik relativ unvorbereitet trafen, da die Beteiligten aufgrund des Vorlaufs nicht damit rechnen konnten.

Die Informationsveranstaltung an der TiHo konnte allen, die sich unvoreingenommen mit dem Projekt beschäftigen, beruhigende Auskünfte geben. Der geplante Nachbarschaftsdialog und deweitere Verlauf des Verfahrens werden zeigen, ob es seitens der Bürgerinnen und Bürger oder derbeteiligten Behörden neue Fragen oder Erkenntnisse geben wird. Sollte das der Fall sein, obwohl ich davon nicht ausgehe, kann die Ansiedlung immer noch von Seiten der Stadt und der Politik gestoppt oder unterbunden werden.

Wenn das Forschungszentrum sicher ist, sollte es realisiert werden, wenn es unsicher ist, sollte es nicht gebaut werden, nicht in Kirchrode, nicht auf dem Kronsberg, nirgendwo!

In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und der Disskussion über ausländische "Heuschrecken", die deutsche Unternehmen zerschlagen, sollten wir uns über ein deutsches Familienunternehmen mit langer Tradition freuen, das noch bereit ist in Deutschland zu investieren. Gehen wir in Deutschland endlich dazu über, dass ein Glas nicht halb leer, sondern halb voll ist!

In diesem Sinne begrüße ich die Ansiedlung der Firma Boehringer und werde gleichwohl das weitere Verfahren wohlwollend kritisch begleiten. Sollten Sie Fragen oder Anregungen haben, können Sie sich gerne an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen Michael Klie