SPD-Fraktion im Rat der Landeshauptstadt Hannover
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Landeshauptstadt Hannover


In die Ratsversammlung

04.12.2013

Antrag
gemäß § 10 der Geschäftsordnung des Rates der Landeshauptstadt Hannover

Städtepartnerschaften/-freundschaften mit türkischen Städten

zu beschließen:
Die Verwaltung wird beauftragt, ein Konzept zu entwickeln zur Vorbereitung von Städte-partnerschaften/Städtefreundschaften mit Konya und Diyarbakir, um die bereits vielfältig bestehenden Kontakte in Form von Städtepartnerschaften bzw. Städtefreundschaften zu intensivieren und zu verfestigen.
Dabei sollen Konzeptvorschläge, Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen zu einem Dialog mit der Stadtgesellschaft zu Städtepartnerschaften/-freundschaften mit den obigen Städten aufgezeigt werden. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sollen im Hinblick auf die vielfältigen, bereits bestehenden Anknüpfungspunkte in der Stadtgesellschaft ermittelt werden.
Das Konzept ist den Ratsgremien bis Herbst 2014 als Beschlussdrucksache vorzulegen.

Begründung:
Städtepartnerschaften und Städtefreundschaften leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Völkerverständigung und des Toleranzgedankens. Zudem bieten sie die Möglichkeit des interkulturellen Kompetenzgewinns und können den Dialog zwischen den Religionen fördern. Darüber hinaus zeigt eine solche Verbindung den hier lebenden Menschen mit türkischem Mig-rationshintergrund, dass sie in Hannover willkommen sind. Sie ist Ausdruck des Respektes gegenüber ihrer Herkunftskultur und ein Zeichen des Interesses für diese Kultur. Die Integrations-bereitschaft und der interkulturelle Dialog kann so weiter gefördert werden.
Nach einer Übersicht des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) pflegen mehr als 80 deutsche Kommunen Partnerschaften zu Städten und Gemeinden in der Türkei. Manche deutsche Stadt ist sogar mehr als eine Städtepartnerschaft mit einer türkischen Stadt eingegan-gen. Hannover hat bislang keine offiziellen Partnerschaften, obwohl die 25.700 MitbürgerInnen mit türkischem Migrationshintergrund den größten Anteil an den insgesamt 136.200 Hannovera-nerInnen mit ausländischer oder doppelter Staatsangehörigkeit stellen.
Als langjähriges Mitglied des internationalen Städte-Netzwerkes „Mayors for Peace“ ist Hannover eine Stadt des Friedens. Ein tolerantes und respektvolles Miteinander in der Stadtgesellschaft ist zentrales Element auf dem Weg zu einer Städtepartnerschaft und -freundschaft. Sowohl Städtepartnerschaften, als auch Städtefreundschaften bieten in unterschiedlicher Weise das Potential, Hannover als internationale und weltoffene Stadt weiter zu prägen.

Mit dem Beschluss des Lokalen Integrationsplans wurde das Ziel formuliert, Verbindungen zwischen Hannover und vergleichbaren Großstädten in der Türkei aufzubauen. Mit den Städten Konya und Diyarbakir bestehen bereits jetzt vielfältige Kontakte, die es gilt, in Form von Städtepartnerschaften/Freundschaften weiter zu verfestigen und auszubauen.
Mit einer Entscheidung für eine Städtepartnerschaft/-freundschaft mit Konya und Diyarbakir würde die LH Hannover deutlich machen, dass sie bereit ist, einen „Dialog der Kulturen auf Augenhöhe“ zu eröffnen. Nicht nur eine Vielzahl der hier lebenden türkischstämmigen MitbürgerInnen wünscht sich seit vielen Jahren die Gründung einer Städtepartnerschaft- mit einer türkischen Stadt. In Zeiten der wachsenden Europa-Skepsis unterstreicht eine Städtepartnerschaft/-freundschaft die Bedeutung interkommunaler Zusammenarbeit – insbesondere zu Städten, in denen der Islam die vorherrschende Religion ist.

Konya ist die Hauptstadt der flächenmäßig größten Provinz in der Türkei. Sie liegt im südwestlichen Teil der Türkei und ist ca. 200 km von Ankara entfernt. Konya ist die siebtgrößte Stadt in der Türkei, zudem eine der wichtigsten Industrie- und Forschungsstädte und zudem als Hauptstadt des türkischen Mittelstandes bekannt. Bildung hat in Konya eine sehr große Bedeutung, so dass Konya im ganzen Land als ein bedeutendes Bildungszentrum gilt. Die Industrie- und Universitätsstadt hat rund 1,07 Mio. EinwohnerInnen und mehr als 85.000 StudentInnen und neben der größten Universität der Türkei, die Selcuk-Universität, drei weitere Universitäten.

Die IHK Hannover unterhält seit 2012 eine Kooperation mit der Handelskammer Konya mit dem Ziel, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen beiden Regionen weiter zu intensivieren. Konkret ist zwischen den beiden Handelskammern geplant, ein Berufsbildungszentrum in Konya aufzubauen. Die Handelskammer Konya pflegt darüber hinaus seit längerem Kontakte mit der Deutsche Messe AG und beabsichtigt nach eigenem Bekunden, sich mit größeren Wirtschaftsdelegationen an hannoverschen Messen zu beteiligen. Auch das Niedersächsische Wirtschaftsministerium hat bereits Kontakte zur Großstadtregion Konya aufgebaut: Im Mai 2012 besuchte der damalige Minister Bode in Begleitung einer Unternehmerdelegation die Stadt.

Darüber hinaus gilt Konya als die "Fahrrad-Stadt" der Türkei. Im Rahmen der deutsch-türkischen Kültürtage sind die Kontakte weiter intensiviert worden. Die aus Konya stammenden „Tanzenden Derwische“, die Anfang November 2013 in Hannover auftraten, wurden 2005 als immaterielles Weltkulturerbe von der UNESCO anerkannt Auch kulturhistorisch ist eine Verbindung mit Konya interessant: Neben der Ausgrabungsstätte Catalhöyük, eine der ältesten entdeckten Siedlungen gibt es weitere Museen, wie z.B. das ethnografische Museum, das Archäologische Museum und das Atatürk-Museum.

Diyarbakir ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und gilt als wichtigste Stadt des Südostens der Türkei. Sie ist die zehntgrößte Stadt der Türkei. Diyarbakir ist bekannt als Tor zum Nahen Osten und industrieller Schwerpunkt in der Region. Zusätzlich zu ihrer langjährigen Bedeutung als Handelsknotenpunkt ist in den letzten Jahren ein großes Marmorgewerbe entstanden, das einen bedeutenden Faktor für den Export darstellt. Die zentral gelegene Dicle Universität mit 20.000 Studierenden und zwölf Fakultäten gewinnt zunehmend an Bedeutung in der Universitätenlandschaft der Türkei. Diyarbakir ist bekannt für eine Politik der Anerkennung der multikulturellen und -religiösen Gesellschaft. Entsprechende Projekte sind Pilotprojekte in der Türkei (u.a. die ‚Straße der Kulturen‘ die die Restauration von Kirchen, einer Synagoge und einer Moschee beinhaltet und bei der eine Kooperation mit der Marktkirche Hannover angestrebt wird).

Es besteht eine Kooperation mit der LHH, die die Errichtung eines ökologischen Stadtparks zum Ziel hat. In diesem Zusammenhang gab es bereits diverse Besuche und u.a. ein Praktikum von Auszubildenden aus Hannover in Diyarbakir.
Zudem gab es im Jahr 2012 erste Sondierungen bezüglich einer Zusammenarbeit zwischen den Sozial- und Jugenddezernaten zum Thema Kindergärten.
Ebenfalls seit 2012 besteht zusätzlich ein Jugend-Umwelt-Austausch, organisiert von den Organisationen Janun e.V. und Genclik ve Degisim Dernegi, die eng kooperieren. 2013 fand ein ge-genseitiger Besuch statt, der das Thema „Stadtökologie“ zum Thema hatte. Im Mittelpunkt der kommenden Begegnungen stehen die Themen Kinder- und Jugendbeteiligung und Umweltbildung, aus denen auch konkrete Projekte entstehen sollen.

Zudem gilt Diyarbakir als eine der malerischsten Städte der Türkei und besitzt eine der weltweit größten und, neben der chinesischen Mauer, besterhaltenen Befestigungsanlagen. Mit seinem über 5000-jährigen Bestehen ist Diyarbakir Zeugnis der wechselhaften Geschichte der heutigen Türkei. Durch Kriege und Umsiedlungen ist Diyarbakir heute eine Großstadt mit einer bunten Bevölkerung und auf gutem Weg ein friedliches Zusammenleben der Völker und Religionsgemeinschaften zu realisieren.

Bislang sind sowohl Diyarbakir wie auch Konya noch keine Partnerschaften mit deutschen Städ-ten eingegangen, haben aufgrund bestehender Kontakte jedoch ein großes Interesse an einer Verbindung mit Hannover. Konya hat in der Sitzung des Ausschusses für Planungen, Organisation und Finanzen am 11.10.2013 politisch beschlossen, auf Hannover zuzugehen und die bestehenden vielfältigen und guten Kontakte durch eine Städtepartnerschaft zu verfestigen und auszubauen. Dies entspricht auch der Intention von der SPD-Ratsfraktion und von Bündnis 90/ den Grünen.

Christine Kastning Lothar Schlieckau
Fraktionsvorsitzende Fraktionsvorsitzender